Andere Städtchen, andere Mädchen. Mit roten Schleiern in Köln oder blauen Bändern in Leipzig lockten die »gemainen frouwelin«. Und überall moderate Gebühren: Zwei Pfennig, soviel wie ein Pfund Kalbfleisch, kostete ein Schäferstündchen, fünf Pfennig die ganze Nacht. Gute alte Zeit? Inmitten einer anrüchigen Nachbarschaft von Henkern, Totengräbern und Brechbadern gab es kargen Komfort »auf Stroh« in armseligen Hütten. Laut alten Chroniken bedrohte die »frantzösische mala« Frauen wie Freier. Dem »Hurenmaister« machten überdies »vil gewalttaten und toitslege« Totschlag zu schaffen. Finsteres Mittelalter? Zwischen den beiden Extremen pendelte ein Langzeitversuch in Sachen Libido. Wandergesellen, reisende Singles und Studenten sollten ein Ventil finden - und ehrbare Bürgerinnen und deren Töchter möglichst unbehelligt lassen. Allerorts herrschte die vom Heiligen Augustinus bereits im vierten Jahrhundert entwickelte Toleranz-Theologie gegenüber der Prostitution - zur Vermeidung »merer uebels«. Zweieinhalb Jahrhunderte lang organisierte die klerikale und kommunale Bürokratie die Ware Liebe, bis sie unter dem Druck der Reformation wieder ins Zwielicht am Rande der Gesellschaft zurückgedrängt wurde. Der Bielefelder Historiker und Mathematiker Peter Schuster, 35, hat über hundert Kommunalarchive zwischen Augsburg und Zwickau durchforstet. Das »süntlich werck« im »Schanthaus« wurde mit penibler Gründlichkeit verwaltet. Mancherorts klang der alljährliche Eid des Frauenhauswirts wie der eines Staatschefs von heute. Gegenstand steter Sorge war die Bereithaltung eines ausreichenden Kontingents. Der Ulmer Frauenhauswirt hatte sich verpflichtet, »zu keiner Zeit unter vierzehen Frawen nit zu haben«. Nürnberg hielt mit 24 Frauen den damaligen Rekord. In Zeiten erhöhter Nachfrage, etwa bei Messen, Jahrmärkten, Reichstagen oder Konzilien, konnte das Stammpersonal rasch durch »varende Frawen« aufgestockt werden. Während des Konzils von bis in Konstanz waren zeitweise bis zu Prostituierte zugegen. Auch beim Reichstag von in Frankfurt entfielen auf die Delegierten nicht weniger als Dirnen. Der Politiker hatte des Guten offenbar zuviel getan. Denn die Tarife im Lande bewegten sich Peter Schuster Prostituierte Mittelalter 2 Pfennig Nördlingen3 Pfennig Konstanz, Nürnberg bis höchstens 6 Pfennig München. Ein Tagelöhner verdiente ungefähr 8 Pfennig, ein Handwerksgeselle bis zu 20 Pfennig pro Tag. Buchautor Schuster folgert: Ein Bordellbesuch war damals »durchaus auch häufiger erschwinglich« und konnte »selbst von einem Tagelöhner Peter Schuster Prostituierte Mittelalter dem ,Cash-flow'' bestritten werden«. Zwar standen den Kommunalhuren des Mittelalters zwei Drittel der Einnahmen zu, doch reich ist nach den Archivaufzeichnungen kaum eine geworden; vermachte eine Dresdner Frauenhäuslerin der örtlichen Kreuzkirche ihr gesamtes Vermögen: 11 Groschen. Doch Geld und Rentabilität waren den Kommunen bei ihren Liegenschaften ohnehin nicht wichtig. Prostitution war zuweilen Teil der kommunalen Verkehrsplanung. Schuster: »Eine stadtplanerische Glanzleistung. Die öffentliche Hand sorgte sich auch um die Hygiene. Für viele arme Jungfrauen waren die Frauenhäuser der Einstieg in einen Beruf, der nicht selten zu einer Lebensstellung wurde. Grede in Mainz war mit ihren 60 Jahren schon 44 Jahre in dem »frihen leben gewest« - Kollegin Heddewig konnte mit 41 Jahren auf 16 Jahre Berufserfahrung pochen. Die 70jährige Hebele war seit 30 Jahren im Frauenhaus tätig. Allzu junge Mädchen, die »weder bruste noch anders hette, das dozu gehort«, wurden von den Stadtknechten aufgespürt und mit Rutenschlägen bis auf weiteres »der stat verwisen«. Wer den Einstieg geschafft hatte, der konnte mancherorts mit einer für die damalige Zeit ansehnlichen Krankheits- und Altersversorgung rechnen: Arbeitsunfähige Prostituierte wurden aus einer Sammelkasse alimentiert. Die städtisch bediensteten Dirnen hatten vielerorts zwar nicht gerade einen Beamtenstatus, aber doch fast das Ansehen einer Handwerkerzunft. Sie nahmen im Kirchengestühl ihren festen Platz Peter Schuster Prostituierte Mittelalter, wurden zu Hochzeiten eingeladen und marschierten bei Prozessionen mit. In Frankfurt nahmen die kommunalen Nutten am alljährlichen Hirschessen der Ratsherren teil. Zuweilen kam es sogar zu allerhöchsten Kontakten. In Breslau verirrte sich König Ladislaus aus Versehen in die »Wohnung feiler Dirnen«. Das Recht auf den Dirnenlohn und das Recht auf Freizügigkeit und jederzeitigen Austritt aus dem Gewerbe waren ebenfalls rechtlich verankert. Es gab für die Frauenhausmitarbeiterinnen sogar gesetzlichen Konkurrenzschutz, auf den sich zum Beispiel zwei Regensburger Frauenwirtinnen beriefen. Sie denunzierten im Rathaus 86 freie Prostituierte in der Stadt - darunter auch Frauen, »die from Eheman haben und leider auch viel Abentheuer treiben«. Acht Nürnberger Prostituierte holten sich bei Bürgermeister Markhart Mandel sogar die Erlaubnis, ein rivalisierendes Privatbordell mit Gewalt auszuheben: »Sie zerprachen die venstergläser«, so Peter Schuster Prostituierte Mittelalter die Chronik, »und schlugen die alte hurnwirtin gar greulichen.
Prostitution in der Frühen Neuzeit
Prostitution im Mittelalter – Wikipedia Schuster, P. (). "Sünde und Vergebung." Integrationshilfen für reumütige Prostituierte im Mittelalter. Von Peter Schuster, Bielefeld. Zeitschrift für Historische Forschung, 21(2). Integrationshilfen für reumütige Prostituierte im Mittelalter. I. Im Jahre richtete die Gefangene Anna Willinn ein. Prostitution im Mittelalter - GRIN | GrinEine niederländische Übersetzung wird derzeit an der Universität Utrecht vorbereitet. Der Frauenwirt oft zugleich auch der Scharfrichter war häufig vermögend, jedoch sozial stark benachteiligt und galt als ehrlos. Schulden in Spätmittelalter und Früher Neuzeit. Schuster: Die freien Frauen, S. Die vatikanische Wende kam erst hundert Jahre später unter Pius V.
SPIEGEL Gruppe
I. Im Jahre richtete die Gefangene Anna Willinn ein. Peter Schuster ist Professor für die Geschichte des Spätmittelalters und der Frühen Neuzeit. Schuster, P. (). Von Peter Schuster, Bielefeld. Zeitschrift für Historische Forschung, 21(2). Peter Schuster: Rezension von: Dagmar M. H. Hemmie: Ungeordnete Unzucht. Prostitution im Hanseraum ( Jahrhundert). Lübeck - Bergen. "Sünde und Vergebung." Integrationshilfen für reumütige Prostituierte im Mittelalter. Integrationshilfen für reumütige Prostituierte im Mittelalter.Die Krise des Spätmittelalters. Prostitution war zuweilen Teil der kommunalen Verkehrsplanung. Bei Dagmar Hemmie erscheint "Unzucht" als Form der Prostitution. Sie sind hier: Start - Ausgabe 7 , Nr. Um einen intensiveren Einblick zu gewähren, werden die Sichtweisen der Kirche als auch die der Gesellschaft miteinbezogen und erläutert. Die ersten Bordelle im Europa des Mittelalters sind im Schlüsselwörter Die Arbeit befasst sich mit den zentralen Begriffen und Themen der Prostitutionsgeschichte in der Frühen Neuzeit. So mussten Prostituierte eine erkennbare Kleidung oder ein Zeichen tragen. Jahrhundert, in: Kloster - Stadt - Region. Andrea Bendlage Wissenschaftliche Mitarbeiterin E-Mail: andrea. Zunächst wird in Kapitel 2 die Position der Kirche zur Prostitution, ihre Gesetze und Bekehrungsversuche anhand von Textquellen näher erläutert. Da in der Tat die Sprache der Quellen gelegentlich die Grenzen von Prostitution und anderen Formen weiblicher sexueller Devianz bewusst offen lässt, etwa durch unscharfe Benennungen als "unerlike frowen" oder "openbare wif", richtet sich Hemmies Blick auch auf weibliche "Unzucht" im allgemeinen. Identitäten und Abgrenzungen Colloquia Augustana 8 , Augsburg , S. Die Nürnberger versteckten ihr Frauenhaus zunächst hinter einem »Thor mit zweien flügeln und ein klein thürlein mit ein anhengend stein, damit jedes mal wider zufallen«. Schuster: Sünde und Vergebung, S. Es kann sich also durchaus auch um eine nicht unübliche Vorgehensweise gegen vagierende Unterschichten handeln, die man durch das Verbot an sie zu vermieten von der Stadt fern halten wollte. Richter ihrer selbst? Access to Mercy in Fourteenth-Century England, Woodbridge u. Excerpt Inhaltsverzeichnis 1. Es gab für die Frauenhausmitarbeiterinnen sogar gesetzlichen Konkurrenzschutz, auf den sich zum Beispiel zwei Regensburger Frauenwirtinnen beriefen. In Wien war es üblich, dass Prostituierte an offiziellen Empfängen hoher Gäste teilnahmen, und bei Hochzeiten tanzten oft Prostituierte vor und überbrachten ihre Glückwünsche. Peter Schuster. Auch im Fastnachtsspiel ,Elszli Tragdenknaben1 wurde die Vergebung durch die Heirat dramatisiert:. Die Wiedergabe wurde unterbrochen. Eine Geschichte des Tötens, Klett-Cotta Stuttgart Trotz seiner degradierenden Einstellung gegenüber dem Dirnenwesen nahm sich auch Berthold von Regensburg einer Sünderin an, welche er bekehrt und verheiratet hatte. Sie besagt vielmehr, dass Heinrich von Hagen Leute beherbergt hatte, die man in der Stadt nicht haben wollte. Hemmie: Ungeordnete Unzucht. Die Frauenhäuser waren entweder städtisches Eigentum und wurden von der Stadt einem Frauenwirt verpachtet, oder sie gehörten einem reichen Bürger, der das Gebäude der Stadt verpachtete. Der gelobte Frieden. Schuster: Die freien Frauen, S. Die Auszeichnung nahm der französische Botschafter vor zahlreichen Gästen in Berlin vor. Entsprechende Listen haben auch Beate Schuster und ich vor über zehn Jahren vorgelegt. Die Tatsache, dass sie dafür Geld nahm, galt den wenigsten Zeitgenossen als unmoralisch.